• 12 DEC 2012 - Review - Münsterische Zeitung - Ulrich Coppel
Neben den "4 Songs aus Porgy and Bess" von George Gershwin mag die halsbrecherische "Tzigane" noch das kompositorisch Konservativste des Abends gewesen zu sein.
Wer aber bereit für neuzeitliche Harmonik und Klänge war, der kam bei dem Konzert von Kolly d'Alba und des ebenfalls aus der Schweiz stammenden Pianisten Christian Chamorel im voll besetzten Bagno am Samstagabend auf seine Kosten.
"Glöckenspiel"
"Tintinnabulum" (lat.) heißt auf deutsch "Glöckchenspiel". Arvo Pärt ist der Begründer des ebenso genannten Kompositionsstiles, der Teil der "Minimal Music" ist. Kolly d'Alba und Chamorel eröffneten das Konzert mit Pärts "Fratres", welches zu dieser Kunstform zählt.
Mit den langen, kühl-spröden Dreiklangssequenzen, einer Bordunstimme und einer darüberliegenden, nicht enden wollenden Melodiestimme, mal von der Geige, mal vom Klavier gespielt, erweckte das Stück einen Eindruck, der passender zum gerade stattgefundenen Wintereinbruch hätte nicht sein können.
Unbändig kraftvoll klang Kolly d'Albas Violinspiel auf ihrer Stradivari von 1732 bisweilen. Selbst dann führte sie souverän und ohne jedes Problem, wenn Pianist Christian Chamorel auch mal ein dreifaches Fortissimo auf dem ganz geöffneten, großen Steinway-D-Flügel krachen ließ.
Assoziationen
Manchmal erinnerten die Dreiklang-Kombinationen an das harmonische Material, mit welchem sich schon Claude Debussy lange Zeit vorher beschäftigt hatte. Direkt im Anschluss an "Fratres" erklang Debussys Sonate für Violine und Klavier.
Im anfänglichen "Allegro vivo" reizte Chamorel erneut die komplette dynamische Bandbreite seines Instrumentes aus. Und wieder dachte man: Mehr geht nicht!
Und wieder gelang es Kolly d'Alba und Chamorel das soeben Dargebotene noch zu übertreffen.
Von Sturm bis Luftleere
Zunächst brannten in Ernest Chaussons "Sinfonische Dichtung ,Poeme' für Violine und Klavier Es-Dur op. 25" heftigste Sechsachtel-Rhythmen, quasi als Veitstanz, in einem riesigen Oktav-Crescendo, bevor sich der ganze Sturm vollends in eine Luftleere auflöste.
Dann folgte mit Maurice Ravels "Tzigane" ein in höchstem Maße anspruchsvolles Werk, dessen Gestus vielleicht ein bisschen an Brahms "Ungarische Tänze" unter hochangereicherter Energieladung erinnert.
Blues-Elemente
Zu Beginn der zweiten Konzerthälfte erklangen "4 Songs aus Porgy and Bess" von George Gershwin. Während das Publikum einmal die Gelegenheit hatte, ein wenig auszuruhen, legten die beiden Musiker, etwa in dem von Alexander Courage arrangierten "Summertime", einen bluesig-thematischen Bezug zur abschließenden "Sonate für Violine und Klavier", ebenfalls aus der Feder Ravels.
In deren Mittelsatz "Blues: Moderato" stocherte Kolly d'Alba schon wieder heftigste Pizzicati, bevor im Schlusssatz "Perpetuum mobile: Allegro" sich die beiden Künstler daran gaben, eine Art Hummelflug zwischen Blues-, impressionistischer Harmonik zu wagen.
Manchmal erinnerte dieses sogar an die Idiomatik des anfänglich zu hörenden Pärt.
Violinistin Rachel Kolly d'Alba ist ganz gewiss weltweit eine der hoffnungsvollsten jüngeren Vertreterinnen ihrer Zunft. Pianist Christian Chamorel stand ihr überdies in nichts nach.
Von diesen beiden wird man in Zukunft ganz sicher noch viel hören