• OCT 2017 - REVIEW - Pizzicato - Supersonic Award, best CD
Beide Komponisten, Guillaume Lekeu und Richard Strauss, waren zweiundzwanzig Jahre alt, als sie ihre singulär bleibenden Violinsonaten geschrieben haben. Strauss schrieb seine sechs Jahre vor Lekeu, er blieb später der Orchestermusik treu. Lekeu hatte keine Chance, eine weitere Sonate zu schreiben, da er mit 24 Jahren an Typhus starb.
Beide Werke haben trotz ihrer frühen Entstehung bereits eine ausdrucksstarke individuelle Note, die auf die künstlerische Zukunft gerichtet ist. Während bei Strauss die Tonsprache noch relativ traditionell bleibt, aber improvisierende Elemente enthält, weist die Komposition von Lekeu zahlreiche chromatische Elemente und überraschende Wendungen auf. Die langsamen Sätze sind innig und intensiv. Beide Sonaten sind technisch und musikalisch sehr herausfordernd für die Musiker.
Die beiden von den beiden vortragenden Künstlern arrangierten zusätzlichen Werke, eine Melodie von Lekeu und ein Lied von Strauss, gleichzeitig mit den Sonaten entstanden, sind ebenfalls feine Kompositionen. Dem deutschen Idiom steht das belgisch französische gegenüber. Damit stehen zwei voneinander abweichende Weltansichten nebeneinander, die trotzdem hervorragend zusammen passen.
Beide Künstler spielen schon lange zusammen und haben dementsprechend ein tiefes Verständnis für die musikalischen Gedanken des anderen. Das führt dann zwanglos zu einem intensiven und nahtlosen Dialog. Andererseits bringen sie auch unterschiedliche Ideen ein, wie bei dieser Aufnahme.
Während der Wunsch für Lekeu von der Geigerin Rachel Kolly d’Alba kam, hat der Pianist Christian Chamorel Strauss ins Spiel gebracht. Zusammen haben sie außerordentliche Interpretationen der beiden Sonaten geschaffen. Die technischen Voraussetzungen überspielen sie einfach mit ihrer Klasse, obwohl diese nicht unterschätzt werden sollten. An Ausdrucksstärke lassen sie es bei Strauss noch ein wenig gemäßigt angehen, wohl wegen der dort noch ausstehenden Entwicklung des Komponisten zu den großformatigen und opulenten Orchesterwerken.
Bei Lekeu aber gehen sie ans Eingemachte und gestalten mit einer Intensität, die unmittelbar packt und überzeugt.